Premiere vor 50 Jahren: Mercedes-Benz Baureihe 116

Premiere vor 50 Jahren: Mercedes-Benz Baureihe 116
Mercedes-Benz 450 SEL der S-Klasse Baureihe 116. Zeitgenössisches Genrefoto in Paris. (Fotosignatur der Mercedes-Benz Classic Archive: C14689). Foto: Mercedes
  • Oktober 1972: Mercedes-Benz präsentiert die Baureihe 116.
  • Bezeichnung „S-Klasse“ seitdem internationales Synonym für Spitzenautomobile von Mercedes.
  • S-Klasse von Mercedes seit vielen Jahren meistverkaufte Luxuslimousine der Welt.

Seit 50 Jahren steht die Bezeichnung „S-Klasse“ für automobile Exzellenz bei Komfort, Technologie und Design (nicht nur) bei Fahrzeugen von Mercedes. Die Baureihe 116 macht(e) den Anfang. Mercedes-Benz stellte 1972 das Modell zusammen mit dem neuen Namen „S-Klasse“ vor. Seither ist die S-Klasse internationales Synonym für Automobile der Oberklasse und Luxusklasse. Die repräsentativen Fahrzeuge von Mercedes-Benz sind weltweit gefragt, auch bei Prominenten und in der Politik. Die erste S-Klasse hat sich bis heute bestens gehalten; gut gepflegte Exemplare gehören zu beliebten und gesuchten Klassikern.

Die Typen 280 S und 280 SE mit Sechszylindermotoren und der 350 SE mit Achtzylindertriebwerk machen den Auftakt. Premierenort ist der Salon de l’Automobile in Paris im Oktober 1972. Die Modellpalette wird in den Folgejahren mehrfach erweitert. 1973, also ein Jahr später, debütiert der 4,5-Liter-Achtzylinder in der S-Klasse als 450 SE und parallel als 450 SEL mit einem um 10 Zentimeter längeren Radstand. Die zugunsten des Raumgewinns im Fond verlängerte Version steht später auch als 350 SEL und 280 SEL den Kunden zur Verfügung. Höhepunkt und maximale Ausbaustufe der Modellreihe ist zweifelsfrei der im Mai 1975 präsentierte 450 SEL 6.9 als eine kultivierte Hochleistungslimousine mit für damalige Verhältnisse (immerhin vor fünf Jahrzehnten) außergewöhnlichen 210 kW / 286 PS. 1978 findet auch ein Dieselmotor Einzug in das Modell, allerdings nur für die USA und Kanada. Der 300 SD findet auf dem nordamerikanischen Kontinent großen Anklang.

Tradition bis zu den Anfängen der Marke

Die Mercedes-Benz S-Klasse steht in einer langen Tradition, die bis zu den Anfängen der Marke Mercedes zurückreicht. Luxus, Komfort und Sicherheit: Fahrzeuge der Oberklasse und Luxusklasse bilden schon lange vor der 1972 eingeführten offiziellen Bezeichnung „S-Klasse“ den Schwerpunkt des Lieferprogramms der Stuttgarter Automarke. Und mit jeder Generation seiner Spitzenautomobile reagiert Mercedes-Benz auf die Wünsche der Kunden und Anforderungen der jeweiligen Zeit.

Premiere vor 50 Jahren: Mercedes-Benz Baureihe 116
Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe 116. Zeitgenössisches Genrefoto. Aufnahme aus dem Jahr 1972. (Fotosignatur der Mercedes-Benz Classic Archive: 72262-26) Foto: Mercedes

„S“ steht für „Spezial“ oder „Super“

Auf dem Deckblatt der Pressemappe zum Autosalon in Paris steht schlicht: „Mercedes-Benz präsentiert: Die neue S-Klasse“. Erstmalig vergibt die Marke eine derartige Bezeichnung für ein Segment im Personenwagenprogramm. Das „S“ verwendet Mercedes-Benz seit nach dem Zweiten Weltkrieg zwar schon ab 1949, mit dem Kürzel für „Spezial“ oder „Super“ beim 1949 vorgestellten Typ 170 S – das Besondere soll hervorgehoben werden; begründet durch Dr. Wilhelm Haspel, damals Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Daimler-Benz AG. Seither gibt es viele Modellbezeichnungen mit dem Buchstaben „S“. Im Jahr 1972 wird die S-Klasse dann aber zum prägnanten Begriff für eine ganze Modellfamilie. Die E-Klasse als Definition der Mercedes-Benz Automobile der gehobenen Mittelklasse sowie die C-Klasse als Familienbezeichnung für die Kompaktklasse folgen erst im Jahr 1993 und so mit fast 20 Jahren Abstand.

Bei erster offiziell genannter S-Klasse ist alles neu

Die Baureihe 116 ist eine völlig neu entwickelte Fahrzeuggeneration, deren Design, Karosserie, Motoren und Fahrwerk einen Innovationssprung in der Markengeschichte markieren. Der Radstand wächst gegenüber der Vorgängerbaureihe (W 108/109) um 115 Millimeter, die Gesamtlänge dagegen aber lediglich nur um 60 Millimeter, was den Proportionen und dem Interieur zugutekommt. Die Breite wächst um 55 Millimeter, die Höhe schrumpft um 15 Millimeter. Eine erstmals waagrechte Leuchteinheit und der niedrigere Kühlergrill betonen die horizontale Linie. Die Außenluft wird teilweise über Öffnungen unter den mit Gummileisten versehene Stoßstangen zum Kühler geleitet. Fokus legen die Konstrukteure auch auf das Thema „Sehen und gesehen werden“: Die A-Säulen sind verkleidet, um Wasser von den Seitenscheiben fernzuhalten; Sonderausstattung ist eine Scheinwerferreinigungsanlage; eine Regenfangrinne leitet über das Dach fließendes Wasser um die Heckscheibe herum bis in eine Trennfuge des Kofferraumdeckels. Die Gläser der Rückleuchten sind gerippt, was deren Verschmutzung vermindert.

Premiere vor 50 Jahren: Mercedes-Benz Baureihe 116
Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe 116. Interieur. Foto aus dem Jahr 2005. (Fotosignatur der Mercedes-Benz Classic Archive: 05C2263_180) Foto: Mercedes

Sicherheitsniveau auf neuem Level

Großen Wert legt Mercedes-Benz bereits seit den 50er-Jahren auf eine verbesserte passive Sicherheit. Mit der Karosserie der Baureihe 116 erreicht das Sicherheitsniveau eine neue Stufe. So fällt die berechnete Deformationsfähigkeit, im Volksmund „Knautschzone“ genannt, deutlich größer aus. Dachpfosten, Türsäulen und Schweller halten auch heftige Kollisionen aus und tragen zusätzlich zum Schutz der Insassen bei. Die Türscharniere sind verstärkt und die Sicherheitszapfenschlösser optimiert. Der Kraftstofftank befindet sich nicht mehr im Heck, sondern oberhalb der Hinterachse und ist in dieser Position bei Kollisionen besser geschützt. Der Innenraum ist ebenfalls im Dienste der Sicherheit neu gestaltet: So hat das Armaturenbrett starke Polsterungen, Schalter sind deformierbar und / oder versenkt angeordnet, und das Vierspeichenlenkrad ist mit einem Pralltopf einer breiten Polsterplatte versehen. Das Prinzip eines entschärften Innenraums wird im Verbund mit der Sicherheitslenksäule seit 1967 in allen Personenwagen der Marke Mercedes angewendet.

Bahnbrechende Weltneuheit ist das gemeinsam mit Bosch entwickelte und 1978 eingeführte Antiblockiersystem ABS: Es garantiert uneingeschränkte Lenkfähigkeit selbst bei einer Vollbremsung, damit Hindernisse bei Bremsungen umlenkt werden können. Dieser wesentliche Beitrag zur aktiven Sicherheit wird Standard im Automobilbau.

Premiere vor 50 Jahren: Mercedes-Benz Baureihe 116
Mercedes-Benz Classic Insight „40 Jahre Assistenzsysteme“ in Immendingen, 25. bis 27. September 2018. Demonstration des Anti-Blockier-Systems ABS bei einer Vollbremsung auf einer bewässerten Fläche mit zwei verschiedenen S-Klasse Limousinen der Baureihe 116. Beim Mercedes-Benz 280 SE ohne ABS blockieren auf rutschigem Untergrund die Räder bei einer Vollbremsung. Der Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 mit ABS bleibt unter den gleichen Bedingungen selbst bei einer Vollbremsung lenkfähig, sodass einem Hindernis ausgewichen werden kann. Foto: Mercedes

Fahrwerk mit Sportwagengenen

Beim Fahrwerk bestehen technische Parallelen zum Supersportwagen Mercedes-Benz C 111, dem nie in Serie gebauten Forschungsfahrzeug mit Wankelmotor. Die dort erprobte Doppelquerlenker-Vorderachse mit Lenkrollradius Null und einer Bremsnick-Abstützung verbessert Fahreigenschaften und eliminiert weitgehend eine Empfindlichkeit gegen einseitig ziehende Bremsen. Trotz des gegenüber dem Vorgänger verlängerten Radstands hat die Baureihe 116 einen kleineren Wendekreis. Hinten kommt eine Schräglenkerachse zum Einsatz, die sich für eine gute Straßenlage bereits in den „Strich-Acht“-Typen sowie im SL und SLC der Baureihe 107 bewährt hatte. Für den leistungsstärkeren 450 SE/SEL und den 450 SEL 6.9 wird diese Konstruktion weiterentwickelt zur Koppelachse. Eine Anfahrdrehmoment-Abstützung bewirkt bei diesen Modellen, dass bei Beschleunigungsvorgängen der Sturz der Hinterräder sowie der Federweg unverändert bleibt.

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Entwicklung der Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe 116. Ein Modell im Maßstab 1:5 wird in Längs-, Quer- und Höhenschnitte abgetastet. (Fotosignatur der Mercedes-Benz Classic Archive: A8105) Foto: Mercedes

Motoren mit sechs und acht Zylindern

Bereits ab Mitte der 60er-Jahre entsteht eine neue Generation kleinerer V8-Motoren, die konstruktiv dem Motor M 00 aus dem Mercedes-Benz 600 ähnlich sind. Für die Variante mit 3,5 Litern Hubraum mit 147 kW (200 PS) wird die Bezeichnung M116 gewählt, die 4,5-Liter-Ausführung mit 165 kW (225 PS) heißt M 117. Diese V8-Triebwerke kommen bereits vor Markteinführung der Baureihe 116 in der Vorgängerbaureihe W 108/109, im Coupé/Cabriolet der Baureihe 111 und im SL/SLC der Baureihe 107 zum Einsatz; sie treiben die Fahrleistungen dieser Typen zu neuen Spitzenwerten.

Der Reihensechszylinder M 110 hat zwei obenliegende Nockenwellen und 2,8 Liter Hubraum. In der Vergaserausführung leistet er 118 kW (160 PS) und mit Benzineinspritzung 136 kW (185 PS). Das Aggregat debütiert zu Beginn des Jahres 1972 in den „Strich-Acht“-Modellen. Den nur in den USA und Kanada angebotenen 300 SD treibt der Fünfzylinder-Dieselmotor OM 617 A mit drei Litern Hubraum an. Der Motor stammt ebenfalls aus dem „Strich-Acht“, ist allerdings noch zusätzlich mit einem Turbolader versehen. So erreicht er eine Leistung von 85 kW (115 PS). Ein wichtiger Grund für die Entwicklung dieses Motors ist der Flottenverbrauch in den USA, der den Durchschnittsverbrauch aller Pkw-Modelle eines Herstellers bezeichnet. Mit Hilfe des sparsamen Diesels hält Mercedes-Benz die dortigen Gesetzesvorgaben ein.

Topmodell 450 SEL 6.9

Als Mercedes-Benz 1975 die Hochleistungslimousine 450 SEL 6.9 präsentiert, gehört sie zu den schnellsten Fahrzeugen überhaupt: Nur ganz wenige Sportwagen erreichen zu jener Zeit ein höheres Tempo. Auf 100 km/h spurtet die stattliche Limousine in 7,4 Sekunden. Als Höchstgeschwindigkeit sind 225 km/h angegeben, doch Fachzeitschriften messen in Tests sogar höhere Werte. Wie beim legendären Vorgänger 300 SEL 6.3 (W 109) stammt der Achtzylinder aus der Repräsentationslimousine Mercedes-Benz 600 (Baureihe W 100). Allerdings ist bei gleichem Hub die Zylinderbohrung von 103 Millimeter auf 107 Millimeter vergrößert. So entsteht für den 450 SEL 6.9 ein Hubraum von 6.834 Kubikzentimetern. Der Motor leistet 210 kW (286 PS) bei 4.250/min und erreicht sein maximales Drehmoment von 550 Nm bei 3.000/min. Bei der Federung beschreitet Mercedes-Benz einen ganz neuen Weg: Nach der Luftdruckfederung des 300 SEL 6.3 erhält der 450 SEL 6.9 eine Hydropneumatik inklusive Niveauregulierung. Die Preisliste Nr. 16 mit Datum vom 28. Januar 1976 nennt 69.930,00 DM als Grundpreis für das Spitzenmodell der Baureihe 116. Zum Vergleich: Das Einstiegsmodell 280 S kostet damals 28.848,90 DM und kostet somit weniger als die Hälfte respective kostet das Spitzenmodell somit mehr als das Doppelte.

Im September 1979 präsentiert Mercedes-Benz auf der IAA in Frankfurt am Main die Baureihe 126 als nächste Generation der S-Klasse. Doch die Produktion der Baureihe 116 läuft erst im darauffolgenden Jahr aus: Ein 300 SD passiert als letztes von 473.035 Exemplaren der ersten S-Klasse die Endabnahme in Sindelfingen. Immerhin 28.634 Fahrzeuge werden als 300 SD hergestellt. Von den Fahrzeugen mit den Achtzylindermotoren M 116/M 117 sind es 156.548 Fahrzeuge. Besonders beliebt in der Käufergunst sind die Sechszylindervarianten mit 280.473 gebauten Fahrzeugen. Eine Sonderstellung nimmt der 450 SEL 6.9 ein, von dem lediglich 7.380 Exemplare gebaut werden.

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