Das Guggenheim Museum Bilbao zeigt Jean Bugattis Type 57 SC Atlantic, eine Leihgabe des Mullin Automotive Museum in Kalifornien, als eines der zentralen Werke der Automobilkunst. Bis zum 18. September 2022 läuft die Ausstellung „Motion. Autos, Art, Architecture“.
Bugatti und Kunst sind seit über 110 Jahren untrennbar miteinander verbunden. Rembrandt Bugatti, Bruder des Unternehmensgründers Ettore, gilt zeitlebens als einer der bedeutendsten und künstlerisch unabhängigsten Bildhauer des frühen 20. Jahrhunderts. Seine Werke werden heute in verschiedenen Kollektionen und Museen weltweit gezeigt. Für Ettore Bugatti ist die Schaffung eines Automobils von Beginn an ein künstlerischer Prozess. Diese Leidenschaft gibt er an seinen Sohn Jean weiter. Mit Erfolg: Jean Bugatti konzipiert mit feinem Gespür für Formen einige der elegantesten und zeitlosesten Automobile aller Zeiten. Mit dem Bugatti Type 57 SC Atlantic schafft er das heute wertvollste und exklusivste Fahrzeug der Welt. Das „Guggenheim Museum Bilbao“ würdigt nun seine Arbeit und bietet einem Fahrzeug eine große Bühne.
Das im nordspanischen Bilbao gelegene Guggenheim Museum gehört mit seiner eindrucksvollen Titan-Architektur zu den spektakulärsten Gebäuden in Europa. Bekannt für seine Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst, präsentiert es nun die Ausstellung „Motion. Autos, Art, Architecture“. Norman Foster, britischer Star-Architekt, kuratierte die Ausstellung und würdigt damit die Parallelen zwischen Automobil- und Kunstwelt.
Die Ausstellung umfasst rund 40 Originalmodelle der schönsten, exklusivsten und technisch innovativsten Kreationen der Automobilindustrie – inklusive eines Bugatti Type 57 SC Atlantic. Der Typ 57 SC Atlantic wurde aufgrund seiner technischen Exzellenz und seiner unverwechselbaren, fließenden Linienführung für die Skulpturengalerie der Ausstellung ausgewählt. Das zeigt, dass die Bugatti-Ingenieure, die ihn geformt haben, auf Ihre Art auch Künstler waren. Der in der Skulpturengalerie der Ausstellung präsentierte Type 57 SC Atlantic sticht aufgrund seiner technischen Exzellenz und seiner markanten, fließenden Linien heraus. Dazu passend: Das Coupé parkt direkt neben der Skulptur „Laufender Panther“ von Rembrandt Bugatti.
Der im Guggenheim Museum Bilbao gezeigte Type 57 SC Atlantic ist eines von nur noch zwei verbliebenen Originalfahrzeugen. Das Coupé befindet sich im Besitz des Mullin Automotive Museum in Oxnard/Kalifornien. Ursprünglich stellte es Bugatti 1936 für den britischen Bankier Victor Rothschild her, Fahrgestell-Nummer 57 374. Modedesigner Ralph Lauren besitzt den vierten gebauten Atlantic, Fahrgestell-Nummer 57 591. Das dritte Exemplar kaufte 1936 Jacques Holzschuh. 1955 verunfallte das Modell mit der Fahrgestell-Nummer 57 473 schwer und wurde fast vollständig zerstört. Zwar wurde es unter Verwendung vieler Originalteile aufwändig restauriert, viele Bauteile mussten jedoch neu gefertigt werden.
Jean Bugatti nutzte den zweiten gebauten Type 57 SC Atlantic mit der Fahrgestell-Nummer 57 453 zunächst selbst. Nur er allein sowie ab und an ausgewählte Freunde, meist Rennfahrer des Hauses, durften sich hinter das Lenkrad des Coupés setzen. Bugatti nutzte den „La Voiture Noire1“ – der schwarze Wagen – für Prospektfotos und als Ausstellungsstück bei internationalen Messen wie in Lyon und Nizza. Das Coupé ging in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren und gilt seit 1938 als verschollen. Sein Verschwinden ist eines der großen Geheimnisse der Automobilgeschichte. Experten taxieren den Wert des Atlantic auf mehr als 100 Millionen Euro – falls er je wieder auftauchen würde.
„Jean Bugatti schuf mit dem Type 57 SC Atlantic vor mehr als 80 Jahren eines der größten Meisterwerke des Automobildesigns. Kaum ein Auto strahlt eine solche Eleganz und Präsenz aus“, sagt Christophe Piochon, Präsident von Bugatti. „Wie kein anderes Fahrzeug verkörpert der Type 57 SC Atlantic die perfekte Symbiose zwischen Automobilbau und Kunst. Er ist ein idealer Vertreter, um die Tradition und die Designphilosophie unserer Marke im Guggenheim Museum Bilbao zu repräsentieren.“
Jean Bugatti und der Type 57 SC Atlantic
Jean Bugatti, geboren 1909, beginnt Ende der 1920er-Jahre die Modellpolitik von Bugatti mit seiner Leidenschaft und seinem Talent für das Automobildesign zu modernisieren. 1936, mit nur 26 Jahren, nimmt er seinem Vater die Verantwortung für das Unternehmen ab. Statt mehrerer Modelle entwickelte er ein Grundmodell, aus dem er verschiedene Varianten ableitet. Bugatti konzipiert den Type 57 als Rennsport-Variante und als Serienauto – als ultimativen Grande Tourisme. Dazu zählen unterschiedliche Motorvarianten und Karosserieformen wie Galibier (viertürige Limousine), Stelvio (Cabrio), Ventoux (Zweitürer) und Atalante (Coupé). Vom Type 57 verlassen in den verschiedenen Versionen zwischen 1934 und dem Ende der Produktion 1940 etwa 800 Fahrzeuge die Werkshalle – die genaue Zahl ist nicht bekannt.
Zwischen 1936 und 1938 entstehen davon nur vier Type 57 SC Atlantic. Schon damals fällt die außergewöhnliche Karosserie mit den fließenden Formen auf. Die Motorhaube streckt sich bei nur 3,70 Meter Gesamtlänge weit nach vorne, das Heck fließt wie ein Oval geformt weit nach unten, bis kurz über den Boden. Sechs dünne Auspuffendrohre schließen den Heckbereich ab. Ein besonders auffälliges Gestaltungselement ist der aufgerichtete Kamm, der senkrecht vom Scharnier der teilbaren Motorhaube bis zum Heckende verläuft. Wie eine scharfe Finne teilt er die Karosserie in der Mitte. Nieten halten die geteilten Bleche fest. Als Antrieb des Atlantic dient ein laufruhiger und starker 3,3-Liter-Reihen-Achtzylinder mit bis zu 200 PS, der auf eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h ausgelegt ist – und das in einer Zeit, in der auf vielen Straßen noch Kutschen unterwegs waren.
Die Ausstellung „Motion. Autos, Art, Architecture“ läuft bis zum 18. September 2022.
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1La Voiture Noire: WLTP Kraftstoffverbrauch, l/100 km: Niedrigphase 43,33 / Mittelphase 22,15 / Hochphase 17,99 / Höchstphase 18,28 / kombiniert 22,32; CO2-Emission kombiniert, g/km: 505,61; Effizienzklasse: G